Zitate von "Ponkie"
"Ponkie" ist die Fernseh-Kritikerin der Münchner "Abendzeitung"

 

Eine fernsehspezifische Allergie sucht irgendwann jeden Zapper heim: Die manisch-depressive Ungeduld. Zapp. Wer pöbelt gegen wen bei Meiser? Schon wieder die Dünnen gegen die Dicken? Zapp. Wampenkriege, Joggerhäme, Fresserwut, Diätgequatsche -zapp. Wer sabbert bei Arabella, wer labert bei Türck, wer keift bei Nicole? Zapp. Überall, wo der Zapper hingerät, tritt man auf der Stelle: Die ewig nölenden Schmachtzicken in »Verbotene Liebe« und »Marienhof» können sich nie entscheiden (lesbisch? Nein, lieber nicht. Oder doch? Nein. Jem. Niemals. Vielleicht). Die »Marienhof»-Hormonschleudem werden gar von Hörigkeitsflutwellen ergriffen und knallen zwischen den Rivalenmatratzen des kreativen Künstlerlebens hart auf den Realitäts-Beton.


Der hemmungslose Fortpflanzungseifer im deutschen Harmonie-Fernsehen pappt wie eine Tube Alleskleber. Den Urlurchen gleich streben die Weibchen in TV-Serie und TV-Movie ständig nach Vermehrung zur Vermeidung von Minderwertigkeitskomplexen, und auch die Männchen halten ihre Gene fälschlich für äußerst erhaltenswert. Wo man hinzappt: Eine ist immer schwanger. Den Rest besorgt dann Drombusch-Hebamme Witta Pohl. Oder die Sachsenklinik für Gemütsdefekte-Ost. Die fortschrittliche Singlefrau, die ein selbstgemachtes Baby zur Selbstfindung benötigt, bedient sich im Notfall eines Spermaspenders (Studentenjob mit eingebautem Erpressungspotential). In der kargen neudeutschen Familienmatratzenposse "Ein Mann für gewisse Sekunden" reicht aber das Sperma weder fürs Intelligenz-Erbe noch für den genetischen Romantiker-Charme. Einzig Hansa Czypionka bringt ein bißchen angeborene Erotik zustande - dieweil seine Gattin, Fotografin Und Zweikindermutter (Carin C. Tietze), einem abgetakelten Pop-Superstar (Matthias Reim) hinterherschmatzt, der den Sexappeal eines abgelatschten Dieter-Bohlen-Turnschuhs verbreitet.


Im Ex-und-Hopp-Talkgeplätscher ist der ARD-Beckmann, gemessen am ewig infantilen ZDF-Kicherbold Kerner, immerhin ein halbwegs dezenter Mehrzweck-Konfirmand von humaner Gemütsart, der seine Gäste nicht pausenlos bejuxen und begackern will.


Obwohl die Texter der Sat-1-"Wochenshow" auch für die RTL-Blödelkiste "Veronas Welt" zuständig sind, so nervt an "Veronas Welt" doch genau jenes läppische Comedy-Geblöke, das mit dem Quiek-Image der Moderatorin gezielt auf die "Komik" einer geistig minderbemittelten Plappergans spekuliert. Das mag eine Weile lustig sein. Doch dieser Debilen-Kult verliert im Verbund mit jenen typischen TV-"Humoristen", die sich auf den Fliessband-Pointen-Ablacherdienst eingelassen haben ( wie etwa Ingo Appelt oder Stefan Raab ) schnell an Witz. Die ewige Zoten-Anmache bringt's nicht.


Dumme Filme mit dummen Titeln für dumme Zuschauer - so etwa sieht das Programmkonzept, das sich die Kommerzsender über Jahre hinweg zielstrebig zusammengezimmert haben. Die Inhalte ( Sex & Crime ) werden nur geringfügig variiert. Die Autoren wissen: kurze Dialoge, keine Nebensätze. Mann will Sex, Frau will Liebe, Macht und Geld. Die Welt ist einfach, der Mensch primitiv, die Waffe geladen.Und dieses Mieszeug konsumieren wir jeden Tag? Recht geschieht uns.


Von soapkiffenden Teenies ist anzunehmen, dass sie mehrere Leben leben:
1. ihr eigenes, und 2.das mit den Nebengeräuschen aus der ARD-Serie "Marienhof". Womöglich auch noch mit dem Bodensatz von "Verbotene Liebe". Das bedeutet pädagogische Grundversorgung mit dem, was einem so jeden Tag passiert:> Irgendeiner hat immer Krebs (Achtung:Besinnung!); die Aussicht auf eine Popstar-Karriere raubt jedem Supermarkt-Azubi die Sinne (je leerer der Kopf, desto voller die Träume); und die Kinder kuppeln solange an die alleinerziehende Mutter hin, bis sie mit dem Hausmeister ins Bett geht (billiger als Fitness-Studio). Weitere Krankheitsbilder (Insulinschock, Eifersucht, schlechtes Gewissen, angeborene Dummheit) werden abwechselnd mit Schwangerschaft, Wirbelsäulenfrakturen und verlorengegangenen Hunden angereichert. Da hat ein Teenie ganz schön zu schleppen am Schicksal seiner Soap-Stars.


Süffig sudelt das Sabber-Fernsehen sein Saop-Pensum für die Sucht-Kundschaft: Ein Dauerfestival von Peinlichkeiten klebt von früh bis spät im Voyeursprogramm. Nachmittags Bandwurm-Darbietungen von Prolo-Versöhnungsgeprügel auf Bestellung - nachts Multimedia-Marketing zur weltweiten Aufarbeitung der Monica-Lewinsky-Einfalt im Hinblick auf Präsidenten-Sex. Welch ein Erlebnis-Fernsehen!


Eine erzdumme Behauptung wie "PDS gleich DVU" wird nicht dadurch wahr, daß Pastor Hintze als Stiegenhaustratsche der Nation zehnmal täglich herumsülzt, daß die arme Frau Bundesrepublik, die doch aus feinem Hause ist, von einem Altkommunisten aus dem Souterain gevögelt wird.

Bei den Show - Zielgruppen im Privatfernsehen unterscheidet man zwischen Seniljugend mit promigeiler Gschaftlhuber - Seele und Kogels ranzige Scheintote vom Rentnerberg.


Wer in den 50ern und 60ern Staubsaugervertreter wurde, der wird in den späteren 90ern TV-Moderator.


Präsidentengattin Hilary startete in einer perfekten Kampf-Performance zum Gegenangriff auf Amerikas Heuchel-Puritaner die gern geltungssüchtige VIP-Groupies als politische Heckenschützenmunition benutzen, obwohl fast jeder von ihnen eine Orgien-Lily im Büroschrank hat.


Aus Fernsehfilmen blökt uns das Ego-Spassmodell der Neunziger entgegen: Ellenbogenzicken und Windmacherkerle, Nimm-was-du-kriegen-kannst-Girlies und Papa-wird's-schon-richten-Yuppies, Mobbing-Schickis, Bungee-Jumper und Matratzenprotzer - lauter Leute, die mit ihrem Anspruch auf Selbstfindung anderen Leuten den Anspruch auf Selbstfindung vermiesen.


Allmählich wissen wir ja, was uns bei "Derrick" blüht: Unser Crash-Kurs für innere Einkehr und moralische Sühne - der kriminalistische Buss- und Bet-Tag, veranstaltet von der Mord-Kommission.


Familie ist "out", sagen die Umfrage-Fuzzis von der dynamischen Karrierefront. Familie ist "in", sagen die Schlangenbeschwörer der staatstragenden Werte-Mafia und träufeln schlechtes Gewissen ins Hera-Lind-benebelte Mutterhirn."


Heute macht der Ede Zimmermann einen viel zivilisierteren Eindruck: Der Haltet-den-Dieb-Spiesser absolviert sein eisernes Ganoven-Fänger-Training wie ein geölter Rechtsstaat-Yuppie mit liberaler Bügelfalte und humanem Handschellen-Lächeln.


Die Wahrzeichen des Fernsehen der Neunziger sind dort zu finden, wo sich das Medium selbst ad absurdum führt: In den Talk-Krawallen der Gesinnungspolitik wie "Talk im Turm", wo die Prachtexemplare der Ellenbogengesellschaft immer alle gleichzeitg gegeneinander brüllen. Oder bei "Kanal 4", wo Schlingensiefs "Talk 2000" Seelenentblössungsgebrabbel als Sado-Nonsens ins Kommunikations-Hundefutter rührt.


Fun im Fernsehen ist, wenn spätpubertäre Schrill-Entertainer als Videoclip-Zappelclowns durchs Bild fetzen und turboaffengeile Disco-Sprüche in die johlende Applauskonserve stammeln oder wenn irgendeine Comedy-Familiy den Sammeldeppen macht für spassbedürftige Analphabetenkundschaft.

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